Versuch der Fremdsteuerung der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB)
„Mit einer gegen den Willen der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) vorgenommenen Einrichtung einer Kommission macht die Staatsregierung überdeutlich, dass sie die VdPB als verlängerten Arm des Gesundheitsministeriums wertet, nicht als eigenständiges Organ der Selbstverwaltung von Pflegekräften“, empört sich Dr. Robert Hinke, Fachbereichsleiter für Gesundheit & Bildung in ver.di Bayern: „Die Zusammensetzung und Kompetenzen der Kommission stehen der Idee der Selbstverwaltung entgegen. Wir werden die weitere Entwicklung sehr genau beobachten.“ Die geplante Einführung einer Registrierungspflicht von Pflegekräften muss mit einem für diese erkennbaren Benefit verknüpft werden.
Mit der Mitte des Jahres erfolgten Novellierung des Bayerischen Pflegendengesetzes (BayPfleG) wurde entgegen den Stellungnahmen von VdPB und ver.di die Einrichtung einer Kommission zur Reform, Weiterentwicklung und Evaluierung der VdPB betrieben und beschlossen. Zur Befriedung der Gemüter heißt es im Gesetzestext, dass das Staatsministerium eine Kommission einberufen „kann“, aber eben nicht muss. Das höchste Organ der VdPB, deren Delegiertenversammlung, hat sich erst am 27. Juni „mit aller Entschiedenheit“ gegen die „vorliegende Konstruktion und Zusammensetzung der Kommission“ ausgesprochen: „Die VdPB positioniert sich gegen die geplante Einrichtung, mindestens aber gegen die geplante Besetzung der Kommission (Pflegendenvereinigungsgesetz).“ „All dies hält das Gesundheitsministerium aber nicht davon ab“, so Carolin Hack, Vorstandsmitglied der VdPB und bei ver.di-Bayern verantwortlich für den Bereich Ausbildung im Gesundheitswesen, „von der Kann-Regelung Gebrauch zu machen.“
Zur Reform und Weiterentwicklung der VdPB wird dieser ein federführendes Gremium beigestellt, welches sich mehrheitlich aus erklärten Gegnern des bayerischen Weges einer Alternative zur Kammer zusammensetzt: Von den 13 Kommissionsmitgliedern werden nur fünf von der VdPB und acht vom sogenannten Bayerischen Pflegerat und der Dekanenkonferenz Pflegewissenschaft bestellt. „Die demokratische Legitimation für ein derart weitreichendes pflegepolitisches Mandat darf als fragwürdig gelten“, bemerkt Heinz Neff, Fachsekretär für den Krankenhausbereich in ver.di Bayern: „Im Pflegerat sind neben Berufsverbänden der Pflegenden auch eher arbeitgebernahe Vereine wie der Verband der Pflegedienstleitungen Psychiatrischer Kliniken Bayern e.V. oder der Verband der PflegedirektorInnen der Universitätsklinika e.V. Mitglied. Die Konferenz der Dekan*innen vertritt wiederum pflegewissenschaftliche Fachbereiche bzw. Institute. Auch hier können wir kein Mandat im Sinne der Selbstverwaltung der Pflegenden erkennen.“
Offenkundig bedenklich wird die Zusammensetzung, nachdem die Bundes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft gem. e.V. jüngst dem Deutschen Pflegerat e.V. beigetreten ist. Allein ver.di Bayern repräsentiert mehr Pflegekräfte als sämtliche Berufsfachverbände der Pflege bundesweit. „ver.di ist gerade im Pflegebereich eine wachsende Organisation, die ausschließlich Beschäftigteninteressen vertritt“, betont Hinke: „Dass die gewerkschaftliche Arbeitnehmervertretung nicht eigens berücksichtigt wird, ist sicher kein Zufall.“
Die Stimmengewichtung von 5 zu 8 würde selbst durch einen vom Ministerium bestellten Vorsitzenden der Vereinigung der Pflegenden kein Patt in der Kommission ermöglichen. Genauso wenig verträgt es sich, dass ausgearbeitete Empfehlungen sich nicht an die VdPB, deren Vorstand und Mitglieder richten, sondern dem Staatsministerium vorgelegt werden. „Ein erkennbarer Versuch der Fremdsteuerung einer Selbstverwaltung“, vermerkt Hinke kritisch: „Jede demokratische Organisation hat Anspruch darauf, ihre inneren Angelegenheiten über ihre gewählten Organe selbst zu bestimmen.“
Wie inzwischen offenkundig wurde, soll sich die geplante Kommission aber nicht nur mit allgemeinen Fragen der Weiterentwicklung der VdPB befassen, sondern auch ganz konkret mit der ministeriell anvisierten Registrierungspflicht von Pflegekräften in Bayern. Damit wird gleichsam in die operative Arbeit und die Autonomie des Vorstandes der VdPB hineinregiert.
Die Einführung einer fortlaufenden Registrierungspflicht beruflicher Veränderungen und Fortbildungen wird von den meisten Pflegekräften als Gängelung wahrgenommen. „Wir wissen, dass die umstrittene Registrierungspflicht kommt und dass wir das nicht mehr grundlegend problematisieren werden. Jetzt gilt es, die Registrierungspflicht konstruktiv auszugestalten, sie also beispielsweise mit einem Freistellungsanspruch für Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung zu verknüpfen“, so Hack. In diesem Sinne hat sich die Gewerkschaft ver.di auch gegenüber dem Staatsministerium eingebracht. „Die Registrierungspflicht wird unter anderem mit Mängeln der statistischen Datenlage begründet“, kritisiert Hinke „als hätten wir hinsichtlich des Personalmangels, der demographischen Entwicklung oder der Belastungssituation in der Pflege ein Erkenntnisdefizit. Nicht die Datenlage ist das Problem, es fehlt am politischen Willen die Verhältnisse im Sinne der Versorgung und Pflegenden umzukrempeln.“
Die Gewerkschaft ver.di hat an der Entstehung der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) als einer „bayerischen Alternative“ zum Kammermodell maßgeblich mitgewirkt. In ihren Aufgaben und Rechten ist die VdPB den Kammern weitgehend gleichgestellt, beschreitet aber in ihrer Mitgliederstruktur einen eigenen Weg. So wurde auf eine Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträge verzichtet – bewusst auch auf eine Pflichtregistrierung. Pflegehelfer*innen können Mitglied werden, womit eine berufspolitische Spaltung der Pflege, wie es das in den meisten Ländern von den Pflegekräften abgelehnte Kammermodell vorsieht, verhindert wurde. Als ein zentrales Plus sahen wir zudem die Einbeziehung von Berufsfachverbänden und Gewerkschaften. Letzteres wurde mit der jüngsten Novellierung abgeschafft. „Ein schleichendes Zurechtstutzen des Erfolgsmodells VdPB werden wir nicht tatenlos hinnehmen“, bekräftigt Hinke.